Kompetenz durch Kauf?

Warum ich lieber Sachen auseinander nehme, als unreflektiert und ohne jedes Sachverständnis Sachen zu kaufen, die immer mehr darauf optimiert werden, den Nutzer zu bevormunden.

Die sollte ursprünglich nur ein kleiner Kommentar zu einem Interview mit Ranga Yogeshwar werden – kurz fassen war mal wieder nicht drin.

Natürlich kann man das ganze etwas mit Luxus und tollem Service ansprühen. Ich kann auch nicht von der Hand weisen, dass viele Menschen mit durchdachten Fertigprodukten deutlich bessere Resultate erzielen, als ihnen selbst sonst möglich wäre.
Das kann man selbst gut finden und sicher gibt es in User-$irgendwas Branche auch tolle Jobs.

Ich hingegen finde diesen Trend sehr schade. Wir verlernen es dadurch, überhaupt noch etwas verstehen zu wollen. Langsam aber sicher wird in den Köpfen vieler Menschen

ich habe sehr viel Geld für Produkt XY ausgegeben und dann auf einen Knopf gedrückt…

gleichbedeutend mit

das habe ich selbst gemacht

Der Besitz eines Produktes und das vernachlässigbare Wissen es richtig zu bedienen, wird heute schon ihn vielen Branchen als Kompetenz angesehen.
Wie weit fortgeschritten dieser Prozess schon ist, bemerkt man, wenn man einem Nutzer eines dieser Produkte erklärt, dass seine Resultate eigentlich nicht seine eigenen Werke sind, sondern nur das Resultat sequenziell angewendeter Voreinstellungen, auf die er eigentlich keinen Einfluss mehr hat. Wenig mehr, als “Malen nach Zahlen” mit Malerei zu tun hat.
Solche Produkte werden nicht selten als besonders professionell dargestellt und verkauft, dabei sind sie eigentlich nur die Inkarnation des kleinsten gemeinsamen Nenners.
Dadurch wird Kompetenz schleichend durch Finanzkraft ersetzt. Man ist professionell, weil man ein professionelles Produkt gekauft hat. Fähigkeiten bzw. Verständnis für die Sache werden nach und nach verdrängt.
Den Herstellen kommt dabei noch zu Gute, dass solche Produkte einen unglaublichen sozialen Druck aufbauen. Wer sie erworben hat, wird im Folgenden seine Entscheidung für dieses Produkt bis aufs Blut verteidigen, weil es zwar einerseits großes gesellschaftliches Ansehen mit sich bringt, viel Ressourcen in ein hochwertiges Produkt investiert zu haben, aber auf der anderen Seite einer Ächtung gleichkommt, seine Ressourcen für Minderwertiges zu verschwenden.
So wird der Käufer selbst zum flammenden Verfechter eher durchschnittlicher Produkte und Zutritt zu_Professionellen_ Kreisen nicht mehr aufgrund von Fähigkeiten, sondern von Besitz abhängig gemacht.

Diese sogenannten professionellen Produkte eint dabei allesamt eine Eigenschaft: Verbesserung in den Resultaten ist nur durch Zuerwerb weiterer Produkte möglich, nicht aber durch einen persönlichen Zuerwerb an Wissen und Fähigkeiten.

Die Produkte sind sozusagen durchschnittsoptimal d.h. sie bringen in den meisten Anwendungsfällen gute bis sehr gute Ergebnisse, greifen aber jeden Einzelfall gleich auf.

Professionell bedeutet für mich aber, dass man gerade für jeden Einzelfall selbst tatsächlich optimale Bedingungen herstellen kann. Hier kommt dann wieder die von mir geforderten Fähigkeiten und Sachkenntnisse ins Spiel.
Wer diese nicht hat, fährt mit der neuen Definition von_professionell_ sicher besser, da er durch Unkenntnis nichts schlechter machen kann, als die Produkte ihm erlauben.
Wenn ein Produkt uns aber derart bevormundet, so dass wir auch bei gegebener Kompetenz nicht besser sind, als jemand der das Produkt gerade so eben bedienen kann, hat das für mich nicht besonders viel mit Professionalität zu tun.

Für mich stellt sich mit ich muss das nicht verstehen, es funktioniert einfach keine Begeisterung ein.

Mein Bestreben ist es, zu Lernen, Wissen zu erlangen und dieses Wissen mit anderen zu teilen. Wissen an sich und die Erkenntnis neues Wissen erlangt zu haben, machen Spaß. Ebenso, wie dieses Wissen zu Teilen.
Schon alleine deshalb lehne ich Kompetenz definiert durch den Besitz professioneller Produkte ab. Dieser Ansatz ist wohl kaum geeignet in einer sich zunehmend globalisierenden Gesellschaft gleiche Bedingungen für Alle zu schaffen.
Im Gegenteil, er schafft nicht kritikfähige Eliten, die sich über Geld abschotten und hemmt jeglichen Fortschritt bzw. bindet ihn an die Produkte, da der Hersteller bei diesem Konzept der einige Akteur ist, der als Innovator auftreten kann.
Aller Wahrscheinlichkeit wird er das aber nicht. Kommerzielle Anbieter neigen eher dazu, sich auf ehemaligen Innovationen aus zu ruhen, wenn denn erst mal alle Kunden fest genug in ihrem Sandkasten eingesperrt sind.
Schade, dass wir zu träge sind, ab und zu einen Blick aus den Sandkästen zu werfen, weil wir zu bequem geworden sind, diesen Bereich zu verlassen, in dem alles so einfach funktioniert und wir uns deshalb einreden dürfen, irgendetwas zu können.